Künstliche Intelligenz (KI) für die effiziente Produktion – ein Schlüsselthema bahnt sich den Weg aus der wissenschaftlichen Forschung in die Praxis. Nicht schnell genug womöglich aus Sicht derjenigen, die sich wesentliche Wettbewerbsvorteile von KI erhoffen. Beinah unheimlich für die anderen, die gerade eine vage Vorstellung entwickeln, wie selbst denkende Maschinen ihren Arbeitsalltag verändern könnten. Im Themenschwerpunkt „Future of Business“ der EMO Hannover 2023, Weltleitmesse der Produktionstechnologie, sind Expertinnen und Experten gefordert, drängende Fragen zu neuen Geschäfts- und Arbeitswelten zu beantworten. Rückenwind für KI gibt es derweil aus deutschen Hochschulen, die Überzeugungsarbeit in Unternehmen vor Ort leisten, die Implementierung von KI-Applikationen begleiten und Beschäftigte auf neue Aufgaben vorbereiten.
ProKI, heißt die Devise. Genauso nennt sich eine Initiative, die von der WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik) Ende des vergangenen Jahres gestartet wurde. Gefördert mit 17 Mio. Euro vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung), soll an insgesamt acht Standorten ein bundesweites Demonstrations- und Transfernetzwerk aufgebaut werden, das die Implementierung von KI-Lösungen in der Industrie praktisch begleitet. Koordiniert wird die Initiative vom WZL (Werkzeugmaschinenlabor) der RWTH Aachen. Beteiligt sind Institute in Berlin, Darmstadt, Dresden, Hannover, Ilmenau, Karlsruhe und Nürnberg. Gemäß ihren jeweiligen Forschungsschwerpunkten stellen sie Demonstratoren und Testumgebungen für produzierende Unternehmen im Kontext der Fertigungstechnologien Fügen, Umformen, Zerspanen und Beschichten bereit.
Breit gefächertes kostenfreies Leistungsportfolio für Unternehmen
„Die Standorte arbeiten weitgehend autark“, erläutert Christian Fimmers, Koordinator für das ProKI Netzwerk. Doch findet ein ständiger Austausch statt. Es soll eine gemeinsame Marke mit gleichen Qualifizierungsformaten aufgebaut werden sowie eine Website und Social-Media-Aktivitäten geben, um größtmögliche Reichweite und Bekanntheit zu erlangen. Die angebotenen Leistungen reichen von Informationsveranstaltungen über individuelle Beratung, Workshops und Seminare bis zur praktischen Begleitung von unternehmensspezifischen Projekten. Die Teilnahme ist für Unternehmen kostenfrei. Alles ist darauf ausgerichtet, möglichst vielen und vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit KI-Interesse einen Anlaufpunkt zu bieten.
Hemmschwellen bei KMU abbauen
Zu den beteiligten Instituten gehört das PtU (Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen) der TU Darmstadt. Christian Kubik, Abteilungsleiter Prozessketten und Anlagen, ist dort als Geschäftsführer des Zentrums tätig. Gleich zum ersten InfoPoint von ProKI in Darmstadt hatten sich über 80 Unternehmen angemeldet. „Das Interesse ist da“, stellt Kubik fest. Gerade bei KMU seien aber auch Hemmschwellen erkennbar. Das zeigt sich inSkepsis gegenüber der Technologie, Befürchtungen, die Kontrolle zu verlieren, mangelnder Expertise oder darin, dass der ROI (Return on Invest) nicht eindeutig zu fassen ist. Die ProKI InfoPoints finden inzwischen einmal im Monat online statt, dauern eine Stunde und teilen sich auf drei 15-minütige Impulsvorträge aus Wissenschaft und Industrie auf. Die Themen beleuchten aus unterschiedlichen Blickwinkeln, wie sich durch den Einsatz von KI-Technologien unternehmensinterne KPIs (Kennzahlen für Unternehmensführung) optimieren lassen. Ist das Interesse geweckt, folgt ein persönliches Beratungsgespräch. Es werden die Möglichkeiten für KI-Lösungen ausgelotet. Schließlich steht der Besuch im Unternehmen an. „Unser Anspruch lautet: Nicht nur reden, sondern machen“, betont Kubik.
Beim Thema Künstliche Intelligenz öffnen sich für viele KMU nicht nur neue Wege, sondern zunächst einmal Baustellen. Das gilt für den Aufbau einer digitalen Infrastruktur in der Fabrik ebenso wie für die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Da stellt sich schon die Frage, ob man jemanden, der in der Produktion dringend gebraucht wird, einen halben Tag freistellen kann für die Fortbildung“, räumt Kubik ein. Der Zeitfaktor sei eine große Hürde, gerade in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels. Hier gelte es, mit der notwendigen Sensibilität vorzugehen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis deutlich herauszuarbeiten und auch die Möglichkeit kleiner Schritte in die neue Technologie aufzuzeigen. „Wer überzeugt ist und wirklich will, der schickt uns seine Leute“, so Kubik. Kompetenzerweiterung sei das Gebot der Stunde.
Expertinnen und Experten für die vernetzte Fabrik gesucht
Bereits 2020 zeigte die Studie Kompetenzprofile in einer digital vernetzten Produktion, die am WZL in Aachen mit Förderung der Hans-Böckler-Stiftung erstellt wurde, wie sich die typischen Berufe der metallverarbeitenden Industrie in den kommenden Jahren verändern werden. Die Wissenschaftler analysierten Tätigkeitsstrukturen der Berufe Industrie-, Werkzeug- und Zerspanungsmechaniker mit ihren Hauptaufgaben im Bereich der Fertigung, der Maschinen- und Anlagenbedienung sowie der Prozessüberwachung. Sie setzten diese in Bezug zu den erkennbaren technologischen Trends, wie etwa Additive Fertigung, Cloud-Technologien und das Internet of Production. Erwartet wird demnach eine deutliche Zunahme der Komplexität der Tätigkeiten und der benötigten Kompetenzen sowie die Notwendigkeit für Unternehmen, Fachkräfte für die Entwicklung, Umsetzung und Kontrolle datengetriebener Produktionsprozesse und Geschäftsmodelle fortzubilden. Zur digitalen Kompetenz gehören laut Studie unter anderem der Wille zu Veränderung, der geübte Umgang mit digitalen Devices und ein Verständnis von Algorithmen. Das Vertrauen in Daten sollte aber auch einhergehen mit dem kritischen Hinterfragen von Informationen. Zudem sei ganzheitliches Denken gefordert.
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