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TRANSPORT LOGISTIC 2019: Konzepte gegen den urbanen Kollaps

Konzepte gegen den urbanen Kollaps

– Druck auf urbane Logistik steigt
– Diverse Lösungsansätze statt Masterplan
– Top-Thema der transport logistic, 4.bis 7. Juni 2019, München

Derzeit leben in der Europäischen Union mehr als 75 Prozent aller Bürger in Städten (Quelle: Statista) – mit steigender Tendenz. Dieser Trend wird den Druck auf die urbane Logistik weiter verstärken, der durch den Boom des eCommerce und steigende Anforderungen an die Luftqualität bereits deutlich zugenommen hat. Die Lösungsansätze sind so vielfältig wie die Rahmenbedingungen der Städte.

Nicht nur die Paketflut steigt, auch die Menge an Stückgut. Der Einzelhandel füllt seine Warenbestände häufiger, flexibler und kleinteiliger, was unter anderem auf die Beschaffungsform Click & Collect zurückzuführen ist. Dabei können online bestellte Artikel in einem stationären Geschäft abgeholt werden, wodurch der Kunde Porto spart. Auf den zunehmenden Lieferverkehr und die steigenden Erwartungen an die Luftqualität reagieren die Kommunen mit Fahrverboten und Zufahrtsbeschränkungen – mittlerweile geschehen in rund 500 Städten innerhalb der EU (Quelle: www.urbanaccessregulations.eu).

„Der Druck auf die Logistikbranche steigt und betroffen sind nicht nur die KEP-Dienstleister, sondern auch die Stückgutspediteure, die dringend neue Konzepte für die Stadtbelieferung benötigen“, so Stefan Rummel, Geschäftsführer der Messe München. „Hochschulen, Forschungsinstitute und führende Logistikdienstleister entwickeln und testen bereits konkrete Lösungsansätze, die den drohenden Kollaps der innerstädtischen Versorgung verhindern sollen – vieles davon ist im Juni auf der transport logistic in München zu sehen oder wird hier diskutiert.“

Emissionsfreie LKW, E-Bikes, Micro-Hubs…
Vor Ort sind unter anderem Preisträger des Wettbewerbs „Nachhaltige Urbane Logistik“, den das Bundesumweltministerium gemeinsam mit dem Umweltbundesamt ausgeschrieben hatte. Darunter der Logistikdienstleister Dachser, der in der Stuttgarter Innenstadt ein emissionsfreies Liefergebiet für Stückgutsendungen definiert und dauerhaft in sein Netzwerk integriert hat. „Dachser Emission-Free Delivery“ nutzt leichte und in Zukunft auch mittelschwere Elektro-LKW mit einem Gesamtgewicht von bis zu 18 Tonnen und kombiniert diese mit Lastenrädern und Mikrohubs. Damit werden palettierte Stückgutsendungen emissionsfrei zugestellt. Schon heute steht fest, dass Dachser sein Lieferkonzept auch auf andere Städte ausweiten wird. „Dafür haben wir eine Toolbox mit Maßnahmen entwickelt, aus der sich unsere Niederlassungen bedienen können“, erklärt Stefan Hohm, der bei Dachser die Corporate Unit Corporate Solutions, Research & Development verantwortet. In der City Distribution Toolbox werden zum Beispiel Tipps gegeben, wie man mit Kommunen kooperiert und welche emissionsfreien Lieferkonzepte zur Verfügung stehen. „Es kann keinen einheitlichen Masterplan für alle europäischen Städte geben, denn jede Kommune hat ihre eigenen topografischen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen“, betont Hohm.

Geräuscharm und unterirdisch
Ebenfalls unter den Preisträgern war das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML. Dessen Vorschlag: Die Tagesrand- und Nachtzeiten besser zu nutzen, um die Innenstädte zu entlasten. Das Logistikkonzept GeNaLog (Geräuscharme Nachtlogistik) setzt auf Elektro-LKW, geräuschoptimierte Fahrzeugböden und Ladehilfsmittel sowie auf speziell geschulte Fahrer. Ein fünfwöchiger Praxistest der REWE Group in Köln verlief sehr positiv: „Die Testphase mit dem E-Lkw und den geräuscharmen Technologien verlief ohne größere Schwierigkeiten. Anwohner waren von der geräuscharmen Technik begeistert und haben sich zu keiner Zeit über Ruhestörungen beschwert“, berichtet Daniela Kirsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Fraunhofer IML.

Ebenfalls an das Fraunhofer IML ging der Sonderpreis für einen visionären Ansatz für den unterirdischen Transport über Rohrleitungen. Der „Smart City Loop“ befördert die Güter auf Lastenträgern von City-Hubs am Stadtrand zu Mikrodepots in der Innenstadt. Das System kann auch umgekehrt genutzt werden, um zum Beispiel Leergut und Retouren zum Stadtrand zu liefern.

Das erinnert sehr an die Hyperloop-Pläne im Hafen Hamburg. Die Hanseaten wollen bis 2021 für rund sieben Millionen Euro eine 100 Meter lange Teststrecke zwischen dem Containerterminal Altenwerder und einer Übergabestation bauen. In dem Tunnel bewegt sich dann eine selbstfahrende 25 Tonnen schwere Kapsel, in der die eintreffenden Seecontainer mit hoher Geschwindigkeit von der Kai-Kante abtransportiert werden.

Autonom und durch die Luft
Visionär sind auch die Denkansätze der Universität Duisburg-Essen. Der Verkehrsphysiker Professor Dr. Michael Schreckenberg will für die urbane Logistik die dritte Dimension erschließen. Er forscht intensiv an der Nutzung von Lieferdrohnen und verweist auf den von Daimler entwickelten Vision Van. Dieser hat einen voll automatisierten Laderaum und integrierte Drohnen zur autonomen Luftzustellung. Ebenso praxisnah sei bereits der Volocopter, ein autonom fliegendes Luft-Taxi, oder das Seilbahnsystem der bolivianischen Stadt La Paz, das als das größte urbane Seilbahnnetz der Welt gilt. „Für die Stadtbelieferung durch die Luft sind allerdings noch viele rechtliche Fragen zu klären“, räumt Schreckenberg ein.

Fazit: Für die Herausforderungen der urbanen Logistik gibt es eine Reihe von Lösungsansätzen, die sich zum Teil schon in der Praxis bewährt haben. Den für alle Städte und Regionen passenden Masterplan wird es jedoch nicht geben. So bleibt es spannend, mit welchen Maßnahmen die einzelnen Kommunen und Logistikdienstleister auf die wachsenden Ansprüche an Mobilität, Lieferbereitschaft, Klima- und Emissionsschutz reagieren werden. Auf der transport logistic 2019 werden viele Lösungen zu sehen sein, zudem spielt die City-Logistik eine wichtige Rolle im Konferenzprogramm.

 

Bild & Text: transportlogistic.de