Luftfracht: Daten zum Fliegen bringen
– Künstliche Intelligenz durchdringt Luftfrachtkette
– Mit dem Internet of Things suchen sich Sendungen selbst ihren Weg
– Branchentreff air cargo Europe während transport logistic, 4. bis 7. Juni 2019, München
Höhere Anforderungen an den Klimaschutz, die wachsende Bedeutung des Online-Handels sowie der Mangel an Fachkräften gehören zu den großen Herausforderungen der globalen Luftfrachtindustrie. Lösungsansätze bieten die Künstliche Intelligenz, weitere Automatisierung und das Internet of Things. Die Branche forscht aber auch an alternativen Antrieben.
Sie ist die größte Luftfrachtmesse der Welt: die air cargo Europe während der transport logistic in München. Mehr als 220 Unternehmen aus über 40 Ländern werden auf rund 15.000 Quadratmetern ausstellen. „Wir freuen uns, dass wir unter anderem mit Neutral Air Partner, WCA, Finnair Cargo, Antonov Airlines, Thai Airways und All Nippon Airways weitere wichtige Player der Luftfrachtbranche für die Messe gewonnen haben”, erklärt Stefan Rummel, Geschäftsführer der Messe München.
KI setzt sich unweigerlich durch
„Die Anwendung von KI ist die logische Konsequenz der fortschreitenden Digitalisierung in der Luftfracht“, erklärt Prof. Dr. Joachim Ehrenthal von der Fachhochschule Nordwestschweiz, Mitgestalter der offenen Diskussionsrunde „Artificial Intelligence: Next Level Air Cargo?“. Durch den „Austausch über konkrete Anwendungsfälle“ will Ehrenthal das Thema künstliche Intelligenz „auf den Boden bringen.“ KI wird bereits jetzt entlang der Luftfracht-Kette eingesetzt, etwa für Prognosen, optische Prozessüberwachung, die Fahrzeugwartung, das Packen von Behältern oder die Betrugserkennung.
Oftmals passen zu den Luftfracht-Anforderungen die Verfahren der ‚Computational Intelligence‘. Darunter werden von der Natur inspirierte Verfahren verstanden, wie zum Beispiel künstliche neuronale Netze und Schwarmintelligenz. Der Fokus liegt dabei immer auf Daten und deren automatisierter Nutzung. „Wir müssen die Daten zum Fliegen bringen: Das heißt, dass bestehende Datenfriedhöfe aktiviert und in betriebliche Entscheidungs-systeme verwandelt werden müssen“, fasst Ehrenthal zusammen.
Dr. Harald Sieke, Abteilungsleiter Luftverkehrslogistik vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML), bestätigt diese Sichtweise: „KI wird entlang der gesamten Luftfrachttransportkette eingesetzt werden. Die aussichtsreichsten Möglichkeiten bestehen bei Buchung, Reservierung sowie beim Frachtaufbau für die Flugzeugladung.“ Es werde durch KI auch zu Verschiebungen im Markt kommen, da sich einzelne Player neu aufstellen und andere vom Markt verschwinden werden.
E-Commerce – auch international immer kleinteiliger
Ein weiterer Trend: Der stark wachsende Onlinehandel führt seit Jahren zu immer kleinteiligeren Sendungen bis hin zu Einzelstücken. „Diese Kleinteiligkeit wird vor allem im grenzüberschreitenden E-Commerce ansteigen, ein für die Luftfracht sehr wichtiges Segment“, prognostiziert Sieke. Zudem will der Kunde den Transport möglichst lückenlos verfolgen. Cargo iQ, eine Initiative der International Air Transport Association (IATA), will deshalb zur Prozesskontrolle, Qualitätsüberwachung und Serviceverbesserung beitragen. Emirates SkyCargo ist hier bereits seit März 2018 zertifiziert. „Wir interagieren proaktiv mit unseren Kunden über den Versandstatus“, sagt Nabil Sultan, Emirates Divisional Senior Vice President Cargo. „Wir überwachen rund um die Uhr die Transporte anhand festgelegter Meilensteine in Echtzeit und ergreifen bei Abweichungen oder Verspätungen Korrekturmaßnahmen.“
Automatisch bis selbst-navigierend
Der Fachkräftemangel beschleunigt zudem den Trend zu automatisierten Systemen sowohl beim Handling als auch beim Transport von Luftfracht. Gleichzeitig werden „bis zu fünf Prozent der Luftfracht durch 3-D- und 4-D-Druck überflüssig werden“, schätzt Sieke. Stelle man diese Zahl jedoch dem erwarteten jährlichen Wachstum der Luftfracht gegenüber, dann seien „die Effekte dieser Techniken als vernachlässigbar anzusehen“. Einen wesentlich größeren Einfluss wird hingegen das Internet of Things haben. „In Zukunft suchen sich die Sendungen selbst ihren Weg durch das Luftfrachtnetz“, meint der Wissenschaftler. In fünf bis zehn Jahren werde die aktuell intensive Forschung dazu in der Praxis spürbar sein.
Maßnahmen für den Klimaschutz
Zum Klimaschutz leistet die Luftfracht-Branche bereits heute einen vielfältigen Beitrag, von der Elektrifizierung des Bodenverkehrs bis hin zu Solaranlagen für die Bauten. Es gilt natürlich, die Nachhaltigkeit des Transportmittels Flugzeug insgesamt zu erhöhen. An diesem Ziel arbeitet zum Beispiel die europäische Clean Sky Joint Technology Initiative (JTI). Sie ist mit 1,6 Milliarden Euro das größte EU-Projekt für Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Luftfahrt in Europa. Ein großer Potenzialträger ist die Power-to-Liquid-Technologie, ein Verfahren zum Erzeugen klimaneutraler synthetischer Flüssigbrennstoffe. Gleiches gilt für das hybrid-elektrische Fliegen – Norwegen plant damit die emissionsfreie Luftfahrt bis zum Jahr 2040. Bis zum vollelektrischen Frachtflieger ist es dagegen aufgrund technischer Beschränkungen noch ein weiter Weg.
Bild & Text: transportlogistic.de