25.01.2018
FA 13 – Mensch und Roboter – Seite an Seite
Schwächen bei der Konzentration und Ausdauer – niemals! Roboter gelten seit jeher als verlässliche und unverzichtbare „Kollegen“ der Industriemitarbeiter. Sie übernehmen zunehmend das Schweißen, Biegen, Trennen, den Transfer und die Ablage von Rohren. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen werden Roboter zukünftig noch flexibler machen und den rein repetitiv arbeitenden Roboter auf Dauer ablösen.
Morgens zur Arbeit und erstmal den Fernseher einschalten. Passt auf den ersten Blick nicht wirklich. Und doch wird genau das zur Realität bei der kamerakontrollierten, vollelektrischen Fertigungszelle von Transfluid Maschinenbau. Sie ist das Herzstück des intelligenten Rohrbearbeitungssystems. Über einen Großbildschirm „flimmern“ nicht aktuelle Nachrichten, aber wertvolle Informationen zu Energieverbrauch, CPK-Wert und Stückzahl der bisher bearbeiteten Rohre.
Roboter als wichtiger Baustein
Ein wichtiger Baustein des Bearbeitungszentrums von Transfluid sind Roboter, die bei der Fertigung von Klimaleitungen eingesetzt werden. Neben dem Kamerakontrollsystem verfügt die Bearbeitungsanlage über ein Magazin, ein 4-Achsen-Handlingsystem, zwei Kombinationsmaschinen zur Rohrumformung, eine Biegemaschine, eine Anfaseinheit, einen Nadeldrucker und zwei Roboter.
Eine Seite des Rohres wird vor dem Biegevorgang immer mit einer Rohrumformmaschine in Kombination bearbeitet, während die zweite Seite nach dem Biegevorgang spanlos nachbeschnitten und danach ebenfalls umgeformt wird. Falls erforderlich, hält der Roboter das bearbeitete Rohr anschließend in eine Entgratvorrichtung. „Beide Enden können mithilfe der Kamera optisch kontrolliert werden“, erläutert Stefanie Flaeper, Geschäftsführerin bei Transfluid. „Alternativ hält der Roboter das Rohr in eine Beschriftungseinheit, in der es dann an allen Positionen markiert werden kann – und zwar ganz ohne Spannvorrichtung.“
100-prozentige Qualität
Über eine Umformanlage mit Rundtakttisch könnten darüber hinaus zwei Rohre über einen Flansch miteinander verbunden werden. Für den Fertigungsprozess bedeute das neben einem Höchstmaß an Sicherheit eine hohe Ausbringung bei 100 Prozent dokumentierter Qualität – und für die informative „Unterhaltung“ per Großbildschirm ist nebenbei auch noch gesorgt…
Roboter haben sich bei der Rohrbearbeitung bewährt. Sie „sorgen für kontrolliertes Handling“, betont Flaeper. Ein Roboter sei optimal für die Fertigung von gebogenen Bauteilen geeignet. „Dagegen haben sie eher eine geringe Bedeutung beim Handling langer und gerader Rohre. Hier sind Linearsysteme schneller.“ Vor allem in der Verarbeitung sind Roboter weit verbreitet, „weil hier komplexe Handlingaufgaben oder relativ schwere Bauteile manipuliert werden müssen.“
Im Schweißeinsatz
Für Polysoude und seine Kunden bildet der Roboter eine Ergänzung zu herkömmlichen Automatisierungslösungen. Der Roboter ermöglicht die Führung des Brenners für das Wolfram-Inertgasschweißen (WIG) an Rohren selbst unter beengten Platzverhältnissen. Und er gewährleistet „eine qualitativ hochwertige Naht dank seiner Präzision und Reproduzierbarkeit der Bewegungsabläufe bei komplexen Geometrien“, erläutert Hans-Peter Mariner, Geschäftsführer von Polysoude.
Roboter sind im Allgemeinen weit verbreitet in der Schweißtechnik. Allerdings kaum, wenn es um das WIG-Schweißen geht. Angewendet wird das WIG „so gut wie überhaupt nicht in Verbindung mit Engspalt-Schweißen und Rohr-in-Boden-Schweißen.“ Der Grund hierfür sind gesetzliche Auflagen. Dazu gehört beispielsweise eine abgeschirmte Zone, ohne Zugang für den Bediener – im Gegensatz zu herkömmlichen Automatisierungslösungen. Polysoude aber ermöglicht den Einsatz von Robotern beim WIG-Schweißen.
Roboter und Kernfusion
Das wesentliche Entscheidungskriterium für einen bestimmten Robotertyp besteht in seiner Präzision, „die beim WIG-Schweißen selbst unter Volllast im Bereich von 5/10 mm liegt“, sagt Mariner. Außerdem „gilt der Anspruch auf einfache Programmierung und Verfügbarkeit von Sensorik, insbesondere intelligente Nachverfolgung.“
Zu einer gewissen Berühmtheit gelangte das WIG-Schweißen unter Einsatz von Robotern bei einem der weltweit ambitioniertesten Projekte, bei Iter (International Thermonuclear Experimental Reactor). Das Projekt soll beweisen, dass die Fusion als Energiequelle ohne CO2-Emissionen in großem Umfang zur Stromerzeugung dienen kann. 35 Länder beteiligen sich an der Konstruktion der geplanten Kammer „Tokamaks“ für die Kernfusion.
Extreme Wandstärken zusammenfügen
Polysoude lieferte eine Anlage zum Roboterschweißen an die italienische Firma Simic für deren Konstruktion von für Iter bestimmte Radialplatten aus rostfreiem Stahl mit einer Wandstärke von 100mm. Das Zusammenfügen der Bauteile erweist sich als außergewöhnliche Herausforderung: Es wird vor Ort in Südfrankreich umgesetzt, bedingt durch die hohe Anforderung an Präzision bei Verbund und eine Null-Fehler-Qualität.
Das WIG-Heißdraht-Engspaltschweißverfahren erwies sich als die beste Wahl, um Teile mit diesen sehr großen Wandstärken zusammenzufügen. Die Werkzeugträger für Engspaltbrenner, wie eben Roboter und Schweißfahrwerke, sind jeweils an die Größe und Geometrie der zu schweißenden Verbindung angepasst. Angewendet werden kann die WIG-Engspaltschweißtechnologie übrigens bei Werkstücken von bis zu 400mm Wandstärke.
Griff nach den Sternen
Zuverlässigkeit und Qualität besitzen naturgemäß eine hohe Priorität beim Iter-Projekt, das seit 2007 beim französischen Kernforschungszentrum Cadarache gebaut wird. In der Kammer „Tokamaks“, die von supraleitenden Magneten umgeben ist, sollen die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium auf 100 Millionen Grad Celsius gebracht werden, so dass sie miteinander verschmelzen. Eine Technologie, die nach den Sternen greift und sie nachahmen möchte: Die Kernfusion ist der Grund dafür, dass die Sonne und alle leuchtenden Sterne Energie abstrahlen.
Der hohe finanzielle Aufwand von geschätzt über 15 Milliarden Euro für eine der größten Baustellen in Europa und eine sich verzögernde Fertigstellung führten auch zu Kritik an Iter. Befürworter sehen dagegen in der Kernfusion vor allem eine sehr effektive Form der Energieerzeugung, da es zu einer zehnfachen Leistungsverstärkung kommen soll. Obendrein gilt sie als eine Energiequelle ohne CO2-Emissionen und nahezu ohne strahlenden Abfall. Etwa 2025 soll erstmals ein Wasserstoffplasma erzeugt werden. Roboter leisten ihren Beitrag zum Gelingen des Iter-Projektes.
Roboter bei der Bearbeitung
Die Kombination macht’s mitunter. Mit „Twister“ entwickelte Wafios ein Biegesystem, das auch bei Rohr-Schlauch-Kombinationen einsetzbar ist. Wafios verbindet das System mit einem Kuka-Roboter zwecks Produktivitätssteigerung – verbunden mit einer denkbar einfachen Bedienung. Kuka, Hersteller von Robotern, sieht seit einigen Jahren einen stetig wachsenden Markt für Roboterbearbeitung.
Bisher standen vor allem Bearbeitungsprozesse mit relativ niedrigen Genauigkeitsansprüchen im Fokus. Hier kam entweder über das Prozesswerkzeug ein genauigkeitsausgleichendes Element – Polierscheibe, Schleifkopf, auslenkbare Entgratspindel – in die Prozesskette, oder die Bearbeitungsgenauigkeiten waren mehr oder weniger irrelevant. „Diese Bearbeitungsprozesse werden heute noch oftmals von Menschen ausgeführt, aber infolge zunehmenden Kostendrucks, gleichmäßiger Qualitätsanforderungen oder mangels personeller Ressourcen zunehmend maschinell und automatisiert umgesetzt“, prognostiziert Alexander Bay, Marktsegment Manager CNC/Machining bei Kuka Roboter.
Zukunftsmarkt China
Eine Entwicklung, auf die sich Kuka eingestellt hat. Die General Industry wächst sehr stark, und das vor allem außerhalb Deutschlands. „Dazu muss man nur den Elektronikmarkt betrachten, der ein enormes Wachstumspotenzial für die Automatisierung bietet“, so Bay. Das gebe es insbesondere in Asien. Die Fokussierung auf die General Industry gehe Hand in Hand mit der verstärkten Internationalisierung. Deutschland ist und bleibt für Kuka ein wichtiger Markt für roboterbasierte Automatisierungslösungen. „Aber wir sehen auch, dass die großen Wachstumsmärkte der Zukunft außerhalb Deutschlands und Europas liegen. Deswegen fokussieren wir uns vor allem auf den asiatischen Raum und dort insbesondere auf China, dem Land, das auch laut der International Federation of Robotics (IFR) der größte und am schnellsten wachsende Markt für Industrieroboter ist.“
Das Reich der Mitte gilt aus gutem Grund als der Zukunftsmarkt für die Robotik. Schon heute ist er der mit Abstand größte Absatzmarkt für Industrierobotik – und zeichnet sich durch sehr hohe Wachstumsraten aus. In drei Jahren erwartet die International Federation of Robotics, dass der Jahresabsatz an Industrierobotern in China auf 160.000 Stück anwächst – dies sollte dann knapp 40 Prozent des globalen Absatzes entsprechen.
Fräsen riesiger Rohre
Auch der zunehmend attraktivere Markt der Kunststoffrohre ist Kuka wichtig. So lieferte das Unternehmen nicht nur den Kuka 120 R2700 extra HA Roboter, sondern auch die Lineareinheit KL 1500-3 T, zwei Kuka Servo Motoren MG 360 für die externe Drehachse sowie die Steuerung Kuka CNC. Die Anlagen sind Teil einer von Eugen Riexinger entwickelten vollständig integrierten Automatisierungslösung zur Herstellung von Rohren für den Weholite-Lizenznehmer Asset International Ltd. im südwalisischen Newport. Die Automatisierungslösung ermöglicht das präzise Fräsen riesiger Rohre mit einem Durchmesser bis zu 3,5 Meter.
Zum Einsatz kommen diese überdimensionalen Rohre unter anderem in der Schwerkraftkanalisation, bei der Entwässerung, in unterirdischen Kanälen, Rückhaltebeckensystemen oder Niederdruckanwendungen. Dank der Barrierefreiheit der Anlage kann der Roboter auf der Lineareinheit direkt an das zu bearbeitende Kunststoffrohr heranfahren und dann das Bauteil flexibel nach Bedarf bearbeiten. „Die Lösung hat dafür gesorgt, dass wir die Produktivität signifikant steigern konnten“, freut sich Graham Bennett, Operation Manager bei Asset International. Bei kürzeren Fertigungszeiten habe man die Kapazitäten um mehr als 50 Prozent erhöht.
Roboter – der Kollege der Zukunft
Keine Frage, der Einsatz von Robotern besitzt bereits heute ein großes Leistungsvermögen: Überall da, wo Mitarbeiter qualitativen Einfluss auf Produkte nehmen können, ist das Potential auch sehr hoch. Als ein wichtiger Treiber bei der Roboter-Anwendung gilt der Automotive-Sektor.
Und ein Ende der Entfaltung des Potenzials ist nicht in Sicht. So waren Roboter bisher vor allem repetitiv und haben mit der immer gleichen Präzision und Wiederholgenauigkeit gearbeitet. „Die Anforderungen der Zukunft sind andere – gerade im Bereich professioneller Servicerobotik und Servicerobotik“, erklärt Alexander Bay, Marktsegment Manager CNC/Machining bei Kuka Roboter. „Wenn Roboter in andere Bereiche vordringen wollen, müssen sie flexibler werden. Dabei kann maschinelles Lernen helfen.“
Teil von Industrie 4.0
Roboter werden zunehmend auch Teil von Industrie 4.0. Der Roboter als flexibles Produktionselement wird dabei in der Lage sein, Daten in der Produktion zu sammeln und diese mit den IT-Systemen auszutauschen. Bay: „Produktionsabläufe werden dadurch noch effizienter und die Systeme können schnell auf individualisierte Kundenwünsche reagieren.“
Ein weiterer Trend ist die Vereinfachung der Programmierung. „Des Weiteren die Online-Verknüpfung der Roboter, um Daten aus externen Systemen, zum Beispiel CAD, übernehmen zu können“, ergänzt Stefanie Flaeper, Geschäftsführerin bei Transfluid. Eine Herausforderung sei es, die Roboter auch für sehr kleine Produktionsgrößen einsetzen zu können, was heute nur bedingt möglich sei.
Industrie und privates Umfeld
Großes Potential für die Zukunft sieht Kuka in den Bereichen 3C, Logistik und Service- bzw. Consumer-Robotik. Außerdem wandere, so Bay weiter, Robotik von dem sehr geordneten Umfeld der industriellen Produktion in das „chaotischere“ private Umfeld. Künstliche Intelligenz helfe dabei, Robotersysteme auf Unwägbarkeiten und Veränderungen einzustellen.
Sicher ist auf jeden Fall: „Roboter werden näher an den Menschen rücken, das heißt Roboter werden noch mehr Aufgaben von Menschen übernehmen, die Menschen unterstützen, um bestimmte schwierige Aufgaben umzusetzen“, ist sich Transfluid-Geschäftsführerin Flaeper sicher. „Interessant wäre es auch, wenn der Roboter sehr präzise die Bewegung eines Menschen in einem Produktionsprozess nachahmen könnte, ohne programmiert werden zu müssen.“ Mensch und Roboter Seite an Seite, sozusagen. Die Generation R übernimmt…
Bild & Text: tube.de